Interview mit einem depressiven Mann

© By Fridolin Wirbelwind

Warum er so ist, wie er ist?

Das ist eine Frage die ebenso klug wie dumm ist. Ein jeder wurde durch sein Schicksal geprägt. Bei einigen wurden die schlimmsten Eigenschaften getrigert, bei anderen eher das Gegenteil.

Als ich vor einigen Jahren auf einer Therapie eine Lebensanalyse schreiben musste, brach die Therapeutin die Gruppenrunde ab, als ich vorgelesen habe.

In einer Einzelsitzung meinte sie dann, dass ich mit meinem Lebenslauf eben so auch ein Massenmörder oder Amokläufer hätte werden können; skrupellos und egoistisch nur auf meinen eigenen Vorteil bedacht.

Schon von Kind auf als minderwertig und unerwünscht behandelt worden. Als billige Haushaltshilfe und seelischer Mülleimer missbraucht worden. Später dann wurde ihm vorgeschrieben was er für einen Beruf zu erlernen hat. Er wäre gerne auf ein Gymnasium gewechselt, aber seine Mutter wollte, dass er sehr bald Geld verdienen muss.

Keinerlei Unterstützung erhalten und immer nur gefordert worden, für andere da zu sein.

Seine Geschwister hatten alle Freiheiten, er musste sein Geld abgeben.

Als er begann sich für Mädchen zu interessieren, wurde denen gesagt, dass er homosexuell wäre.

Einmal hatte er Glück und gewann im Lotto eine halbe Million DM. Da er schon immer darauf getrimmt war, dass er alles teilen muss, hatte er nicht viel von dem Geld. Er machte den Führerschein, kaufte sich ein Auto und ein Motorrad.

Die Fahrzeuge hatte er nicht lange, einer fuhr sie kaputt.

Mit seiner Freundin wollte er sich eine Wohnung kaufen, aber nach einigen Monaten war diese Beziehung dann auch am Ende. Seine Familie borgte sich immer wieder Geld von seiner Verlobten bis diese die Schnauze voll hatte. Als dann seine Mutter auch noch erzählte, dass er sie eh nur heiraten würde um seine Homosexualität zu verbergen, was damals ja noch strafbar war, löste sie die Verbindung, verlangte von ihm das Geld zurück, dass seine Mutter von ihr geborgt hatte, und er stand alleine und fast pleite da.

Zu seinem 25. Geburtstag gestand ihm seine Mutter, dass der Mann, den er als Vater kannte, nicht sein Erzeuger war, tolles Geburtstagsgeschenk.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich um seine krebskranke Mutter und seinen Vater gekümmert. Die Geschwister halfen nicht mit. Jedoch lebte der Sohn seiner Schwester mit im Haushalt, die kümmerte sich lieber um Pflegekinder aus Italien, weil die ja Geld brachten.

Als seine Mutter dann endlich starb, packte er seine Siebensachen, 70 DM, gab die Sorge für den Vater in die Hände seiner Geschwister und ging auf Reisen. Er war nun etwas über 25 und wollte nach holen, was ihm bisher nicht gestattet war. Er wollte einfach nur leben.

Wann immer ihm das Geld knapp wurde, suchte er sich einen Job in der Gastronomie. So zog er zuerst durch West-Europa, danach wollte er den Norden erkunden und als er dann etwa 29 war, wollte er noch mehr von der Welt sehen. Während dieser Jahre, sah er die halbe Welt, erlebte Reichtum und Armut. Musste erkennen, dass die ganze Welt weder gut noch böse ist.

Es wurde ihm bewusst, dass Bosheit und Dummheit meist eine Einheit bilden.

Sehr gute Zeiten wechselten sich ab mit Monaten in denen es das Schicksal gar nicht gut mit ihm meinte.

Doch Heute kann er auf seine Herzlichkeit stolz sein, denn diese Jahre haben ihn gelehrt, dass man immer beide Seiten einer Medaille ansehen muss um den Wert zu erkennen.

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