Ein Wochenende mit Fremden Freunden

©by Fridolin Wirbelwind

Ein Sommer, irgendwann in den 1980er Jahren. Da ich ja schon immer gerne mit dem Fahrrad unterwegs bin, ich Urlaub habe und meine Freundin gerade erst Schluß mit mir gemacht hat, entschliesse ich mich für einige Tage mit dem Rad durch die Gegend zu fahren.

Trainiert bin ich soweit. Das soll heißen, dass ich jeden Tag mit dem Rad zu meinen drei Arbeitsstellen fahre. Diese Wege summieren sich auf etwa 30 km pro Tag.

Da ich keine Eile habe, es sind ja immer noch 12 Tage Urlaub übrig, mache ich mir auch keinen Plan, wo es hingehen soll. Ich werde einfach immer so weit fahren, wie ich es für gut halte und dann mein Zelt aufschlagen.

Also Satteltaschen aufgeschnallt, das Zelt ganz zum Schluß, gut mit Sonnenschutz eincremen und los geht es.

Nach etwa 20 Minuten bin ich aus der Stadt raus und nehme den Radwanderweg, welcher gut ausgeschildert zu sein scheint.

Zwei Stunden später mache ich eine Rast in einem kleinen Dorf. Dort ist um diese Uhrzeit schon ziemlich viel los. Klar, die Bundesstraße ist nicht weit weg und im Dorf findet an diesem Wochenende ein Fest statt. Auf dem Parkplatz sehe ich Autokennzeichen aus ganz Europa. Das Fahrrad stelle ich an einen alten Baum, da ich nicht das ganze Gepäck absatteln will, und setze mich zu einer Gruppe die wahrscheinlich aus dem Norden von Europa kommen.

Als ich frage ob ich mich dazu setzen darf, werde ich auf englisch angesprochen und die jungen Leute rücken zusammen, damit ich auch genug Platz am Biertisch habe.

Als ich dann meine Radlermaß (1Liter Alsterwasser) bekomme, heben die anderen auch ihre Krüge und stoßen mit mir an.

Meine englisch Kenntnisse sind noch verbesserungs würdig, aber das macht nicht viel aus. Wir unterhalten uns gut und ich bekomme mit, dass diese Gruppe auch mit den Rädern unterwegs ist. Sie kommen aus Stockholm und sind schon seit drei Wochen in Bayern unterwegs. Während wir eine Brotzeit einnehmen, erfahre ich, dass die Gruppe in der Nähe auf einem Zeltplatz ist und ich gerne bei ihnen willkommen bin.

Klar ist ja wohl, dass ich zusage. Ich liebe es Menschen kennen zu lernen und etwas Neues zu erfahren.

Nachdem wir bezahlt haben, war nicht wirklich günstig, gehen wir den kurzen Weg, von etwa 15 Minuten zum Zeltplatz. Dort muss ich dann den Platzaufseher bequatschen, weil er angeblich keine Platz mehr frei hat. Aber nach einigem Hin und Her, bezahle ich meine 35,- DM für zwei Tage, stelle mein Zelt auf und drei der vier Mädels sagen etwas zu den Jungs. Die erklären mir, dass sie nun noch einmal zum Biergarten gehen wollen um Bier zu holen.

Klar versuche ich zu erklären, dass es nicht weit weg einen Laden gibt, und dort das Bier viel billiger ist, als im Biergarten.

Olle, Jan und ich sammeln Geld ein und ich fahre mit den Jungs zu dem SPAR, den ich auf dem Weg hierher entdeckt habe.

Wir kaufen Bier ein, drei Flaschen Korn und einige Flaschen süßen Wein für die Mädels.

Mit der Menge, die sich nun auf unseren Rädern befindet, kann man sicher auch eine größere Familienfeier versorgen.

Wieder am Zeltplatz, mosert zuerst mal der Aufseher herum, dass wir aber ja keinen Radau machen sollten, ist ja schließlich ein „ordentlicher Platz“ hier.

Jaja, ist ja schon gut.

Die Mädels, leider habe ich nur einen Namen behalten, haben den Grill schon vorbereitet, aber noch nicht angezündet. Ist ja noch früh am Abend.

Von überall kann man Musik hören und Leute die lachen und sich unterhalten.

Freja, ist wohl die Person, die das alles organisiert und auch die Kasse unter sich hat, wundert sich, wie viel Getränke wir besorgt haben und wie wenig Geld wir dafür ausgegeben haben.

Wir setzen uns hin, und ich trinke, entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten, auch mal etwas Korn. Bleibe aber danach lieber bei Bier. Es stellt sich heraus, dass die alle etwas Deutsch sprechen können und es somit keine großen Probleme geben wird bei einer Unterhaltung. Alle sind etwas jünger als ich, so Anfang bis Ende 20. Sie erzählen mir, dass in Schweden viele Leute denken dass es in Deutschland sehr offen zugehen soll, und sie eigentlich etwas enttäuscht sind, dass hier die Leute eher etwas reserviert sind.

Klar erkläre ich ihnen dass die Leute in Bayern nicht so leicht auf Fremde zugehen, aber sonst ganz in Ordnung sind.

Als die Sonne unter geht, kommen noch einige Leute, die schon etwas älter sind, zu uns und ich freue mich, dass einige davon auch Schwedisch sprechen.

So entstehen kleine Gruppen, die sich toll unterhalten.

Anton, ein Mann um die 50, fragt dann ob er seine Gitarre holen darf. Da hat natürlich keiner was dagegen. Freja und Olle, sowie noch einer von den Schweden haben auch Gitarren mit dabei.

Bald spielen vier Gitarren Lieder, die international sind, und es bildet sich, aus den anderen Leuten ein Backgroundchor.

Irgendwer schüttet noch einmal Holzkohle auf den Grill, und bald haben sich viele andere Camper bei uns versammelt.

Als dann der Aufseher ankam und sich aufführte wie Rumpelstilzchen, weil wir ja zu laut sind, kümmert sich keiner um ihn. Sind ja eh die meisten Camper bei uns und allen gefällt das.

Unverrichteter Dinge verzieht sich dann der Kerl, nicht ohne einen Applaus für seinen Abzug zu bekommen.

Später kommen noch andere Camper mit Instrumenten dazu, Akkordeon, Flöte, Maultrommel und zwei Teenager benutzen Plastikeimer als Schlagzeug. Alles in Allem eine Band, die sich gewaschen hat.

Ruhe kehrt erst nach der Morgendämmerung ein. Es ist aber auch zu schön.

Der Grill ist die ganze Nacht an, es gibt Essen aus aller Herren Länder, es wird getanzt und gesungen, viel getrunken und geredet.

Wieviele Sprachen gesprochen werden, ich kann es nicht sagen. Aber soviel kann ich sagen, es sind unheimlich viele Gedanken, die ausgetauscht werden und ich viel lerne.

Als diese Nacht dann Zuende geht, verziehen wir uns in unsere Schlafsäcke, einige liegen schon einige Stunden rum.

Gegen 10 Uhr morgens kommt dann der Aufseher wieder, ganz sicher dass er nun einen Grund findet zu meckern. Ganz im Vertrauen, da muss er auch nicht lange suchen. Er brüllt rum, wie es denn hier aussieht, und dass alles in einer halben Stunde aufgeräumt sein muss.

Oh man, der brüllt, wahrscheinlich nicht, aber da wir alle einen über den Durst getrunken haben, kommt es uns so vor.

Also zuerst mal duschen gehen, zuerst die Jungs und danach die Mädels.

Als wir Männer zurück kommen, haben die Frauen schon einen Drink vorbereitet, wie mir Olle sagt trinken die das immer nach so einer Nacht.

Das Zeugs sieht nicht gerade appetitlich aus, und es schmeckt so wie es aussieht.

Aber es wirkt. Nach 10 Minuten bin ich fit und als der Aufseher wieder auftaucht, klar ist noch nichts aufgeräumt, fühle ich mich soweit in Ordnung, dass ich mich wieder bücken kann, ohne Kopfschmerzen. Aus einigen Wohnwagen und Zelten höre ich nun auch Stimmen und als der Zeltplatzboss weiter meckert, tauchen einige Leute auf.

Ein sehr altes Ehepaar, kann mich gar nicht erinnern, dass die dabei waren, ruft ihm zu, er solle die Klappe halten.

Gegen 11 Uhr ist dann alles wieder aufgeräumt. Viele Hände sind natürlich dabei, und so macht es auch Freude.

Ein Ehepaar aus Hamburg kommt an, die haben einen kleinen Bollerwagen dabei und fragen ob wir wohl ein Katerfrühstück wollen. Was die dabei haben ist einfach überwältigend. Heringe, Brezeln und Weisswürste, Wasser, Orangensaft und Kaffe.

Irgendwie artet das schon wieder aus. Die ersten Frauen trinken Sekt mit Orangensaft, meine schwedischen Freunde gehen schon wieder an die harten Sachen und auch die ersten Gitarrenklänge sind zu hören.

Vom Platzwart ist nichts zu sehen oder hören, wahrscheinlich hat er aufgegeben.

Auf dem Wohnwagenplatz, nicht weit von uns kommt gerade ein neuer Camper an. Sofort sind einige der Leute da um ihn einzuweisen. Als der Fahrer aussteigt und auf bayrisch ein Grüß Gott ruft, sind einige etwas verwirrt. Ist der Kerl doch ein sehr dunkler Mann, von mindestens zwei Metern. Seine Frau ist nicht viel kleiner und spricht auch bayrisch. Nach einem Moment ist das aber nicht mehr wichtig. Der Wohnwagen wird aufgebockt und gesichert und Martin, fragt ob wir ein kaltes Bier haben, da sein Kühlschrank nicht funktioniert.

Das Eis, das es nicht gab, ist gebrochen und die Familie, zu der noch zwei Kinder von sechs und neun Jahren gehören, ist sofort mit dabei.

Irgendwie ist der ganze Zeltplatz fast wie eine gute Klique. Die Kinder gehen in den abgegrenzten Bereich des Sees, der für Nichtschwimmer abgeteilt ist, die „Erwachsenen“ kühlen Bier und grillen. Jeder redet mit jedem und die Sonne lacht dazu.

Eine Gruppe Teenager kommt auf uns zu und fragt ob sie auch mal Musik machen dürften, da sie ja Gestern unsere Musik anhören mussten. Kein Problem für die meisten von uns.

Einige Minuten später hören wir wie sich die Band mit Bass und Verstärker an Musikstücken der 70er Jahre versuchen. Die sind auch gar nicht übel. Smoke on the Water, Schools out, Stücke von Jimie Hendrix und den Smokies, die haben ein riesen Repertoire.

Klar dass wir die Gang auch am Abend mit dabei haben wollen.

So langsam dämmert es mir, dass es gut war, dass ich für zwei Tage bezahlt habe.

Als sich der Tag dann so langsam dem Ende neigt, holt Martin auch seine Gitarre aus seinem Trailer, er setzt sich vor den Grill, hat eine Flasche Bier vor sich und beginnt zu spielen.

Nach ein paar Akkorden, fängt er an einen Gospelsong zu singen, mit einer Stimme, da läuft mir die Gänsehaut den Rücken runter.

Ich bin mir sicher, dass man ihn noch in einigen Kilometern Entfernung hören kann. Als dann seine Frau noch mit einstimmt und die beiden Kids, fühlen wir uns wie auf einem Freiluftkonzert.

Und man, viele stimmen mit den Instrumenten mit ein, und wir anderen versuchen mitzusingen.

Ihr müsst Euch das nun vorstellen, und vielleicht könnt Ihr das ja nachfühlen.

Es gibt noch viel von dieser Reise zu erzählen, aber das werde ich ein Andermal machen.

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