Südlich von Flensburg

©by Fridolin Wirbelwind

Eine Landstraße irgendwo etwas südlich von Flensburg. Ich hatte Glück in Stockholm und eine Mitfahrgelegenheit bis Flensburg bekommen. Auch wenn es eine lange Fahrt war, da mein Fahrer ein recht Wortkarger Zeitgenosse war, schafften wir die fast ca. 1000km in 15 Stunden.

Mit ein paar D-Mark und vielen guten Wünschen, lies mich der Fahrer an einer großen Kreuzung raus.

Viel Verkehr ist hier ja nicht, nur drei Autos in zweieinhalb Stunden. Doch geht auch so langsam die Sonne unter und ich überlege ob ich nicht mein Zelt neben dem Fußweg aufbauen soll. Zeit habe ich ja genug, mich treibt ja nichts voran, außer meinem Fernweh.

Da kommt noch ein Auto, also stelle ich mich noch einmal hin und halte meinen Daumen in den Wind. Als das Fahrzeug näher kommt, sehe ich dass es ein älterer Mercedes ist. Stammt bestimmt noch aus den 1960er Jahren. Die Lichthupe blinkt mich an und ich senke den Daumen und stelle mich schon darauf ein, dass ich mein Zelt aufbauen werde. Da wird das Auto langsamer, blinkt rechts und fährt auf den kleinen Wiesenstreifen, der die Fahrbahn vom Gehweg trennt. Als die Tür aufgeht bin ich ziemlich überrascht. Das ist nicht das normale Verhalten von jemandem der einen Anhalter mitnehmen möchte.

Es steigt eine junge Frau aus. Keine Modeschönheit, aber sehr hübsch. Sie trägt eine einfache, karierte Bluse, Blue Jeans und flache Schuhe. Ihre sehr langen Haare sehen etwas störrisch aus, mit vielen krausen Locken, was die Schönheit ihres ungeschminkten Gesichtes noch unterstreicht.

Irgendwie klopft mein Herz etwas schneller.

Aus dem Autoradio klingen gerade Lieder die diese Situation noch etwas unwirklicher und trotzdem romantischer machen.

Als sie mich fragt was ich denn hier mache und woher ich komme und wohin mich mein Weg denn führen soll, lächelt sie auf diese ganz besondere Art.

Männer Ihr versteht was ich meine. Diese Art, wo ein Mann nicht mehr weiß ob er sich gerade verliebt oder einfach nur zum Deppen macht.

Aber egal. Sie plappert locker drauf los, und mir fällt auf, dass auf dem Kennzeichen ein M an erster Stelle steht. Also für mich eine Möglichkeit auch sie zu fragen, was sie hier denn macht.

Sie antwortet nur, dass sie hier Urlaub gemacht hat und nun wieder zurück nach München fahren will. Wir setzen uns ins Gras, und reden über Gott und die Welt, fast wie alte Freunde. Als es anfängt dunkel zu werden, fragt sie mich, ob ich etwas dagegen haben würde, wenn sie noch etwas bliebe, denn sie war noch niemals zelten. In meinem Herzen geht es rund wie in einem Kettenkarussell.

Nach Aussen hin bleibe ich cool, schiebe meinen Hut in den Nacken und sage, dann werde ich mal das Zelt aufbauen. Meine aber noch zu ihr, dass es wohl besser wäre, wenn sie ihr Auto etwas weiter auf den Randstreifen fahren würde. Solange ich das Zelt auspacke und aufbaue, fährt sie also den Wagen von der Strasse fort und bringt dann noch eine Flasche Wein und ein altes Kofferradion mit. Diese Radio ist sicher so alt wie ihr Auto. Dass nur der NDR mit Truckersongs reinkommt, das macht uns beiden nicht viel aus, viel zu sehr sind wir mit uns beschäftigt. Es ist uns beiden klar, dass diese Nacht für uns beide unvergesslich werden wird. Das Zelt habe ich etwas weiter im Feld aufgebaut und auch ein ganz kleines Lagerfeuer entfacht. Wir starren in die Flammen, und die Sonne ist gerade unter gegangen. Die ersten Sterne tauchen auf und es wird uns beiden ganz warm.

Nach dem ersten stürmischen Kuss legen wir uns auf die Decke, Arm in Arm und sehen in den nun von Sternen übersäten Himmel. Diese Nacht beginnt gerade erst, und wir wollen jede Sekunde auskosten davon. Ab und zu tauchen Scheinwerfer auf und verschwinden dann wieder in der Nacht.

Das Zelt hätte ich nicht aufbauen müssen, da wir nicht einmal drin gewesen sind.

Alles was Liebe ausmacht, durfte ich in dieser Nacht erleben. Als wir dann irgendwann eingeschlafen sind, waren wir erschöpft, zufrieden und glücklich. Wir wurden vom Gesang der Vögel geweckt, genossen noch ein letztes Mal unsere Leidenschaft und packten dann zusammen.

Bis nach Hamburg nahm sie mich mit, dort lud sie mich noch auf ein Frühstück ein, danach trennten sich unsere Wege für immer. Nie habe ich diese Frau wieder gesehen, auch hat sie mir nicht ihren Namen verraten. Das würde nur wehtun meinte sie. Ich nahm das hin, ganz ohne eine weitere Frage.

Manchmal denke ich aber noch mit zärtlichen Gedanken an diese Frau, die mir zeigte, dass man Liebe immer und überall, zu jeder Zeit und auch an jedem Ort finden und erleben kann.

Vielleicht liest diese Frau die damals, 1980, zwischen Flensburg und Hamburg einen Vagabunden traf, diese Geschichte und meldet sich.

Doch egal, so viele schöne Geschichten haben mein Leben bereichert. Ich brauchte kein Geld, nur meine Freiheit. Leider ist mir die Freiheit nicht mehr wirklich vergönnt. Aber ich habe Erinnerungen ohne Zahl, und davon kann ich zehren.

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